Dem Kurvenreich-Blog hat Tine Wittler ein exklusives Interview gegeben - über Mode, Schönheit und Selbstbewusstsein und die perfekten Outfits für private Tage oder den großen
Auftritt.
Deutschlands bekannteste Einrichtungs-Expertin Tine Wittler hat sich - aus eigenem Interesse - schon vor vielen Jahren mit Mode für große Größen beschäftigt. Herausgekommen ist dabei eine eigene Mode-Firma, die sowohl eigene Kreationen anbietet als auch nach den Wünschen der Kundinnen schneidert. Daneben widmet sich Tine Wittler neben ihrer Hamburger Bar auch noch einem anderen Projekt: Der Frage "Was ist Schönheit" hat sie in Mauretanien nachgespürt und ein Buch darüber geschrieben, bald gibt es den Film dazu auch auf DVD.
Hat sich in den letzten Jahren auf dem deutschen Mode-Markt für große Größen etwas geändert?
Ja, zum Glück sehr viel. Immer mehr Anbieter – so wie wir mit den kingsizequeens - setzen alles daran, die Vorzüge von Kurven wirklich gut in Szene zu setzen, statt sich immer nur der veralteten und vor allem unsinnigen Ansage „kaschieren, kaschieren, kaschieren!“ zu beugen. Und immer mehr Kundinnen entwickeln endlich das Selbstbewusstsein, solch figurbetonte Mode auch zu tragen und sich nicht mehr hinter unförmigen Schnitten verstecken zu wollen. Natürlich gibt es auch noch sehr viel altbackene Mode in großen Größen. Aber mittlerweile bin ich als Kundin zum Glück nicht mehr darauf angewiesen.
Sind andere Länder innovativer?
Die Skandinavier, Briten und Amerikaner sind uns weit voraus. Sie haben eine lebendige PlusSize-Szene und –Community, die immer mehr Marktmacht entwickelt. Ich glaube aber fest daran,
dass dies auch hier bei uns in Deutschland geschehen wird. Wir sind schon auf einem guten Weg.
Was sollte unbedingt im Schrank sein?
Ich bin keine Freundin von „Must-haves“ oder „Pflichtstücken“. Ich finde übrigens auch nicht, dass
man jedem Trend hinterherlaufen muss. Wichtig ist doch, den eigenen Stil zu finden und sich dadurch auch ein Stück Selbstbewusstsein und Sicherheit zu schaffen. Mein Stil zum Beispiel ist eher
weiblich und etwas verspielt statt geradlinig oder clean. Genau so sieht auch der Inhalt meines Kleiderschrankes aus. Mode ist und bleibt eine Art, sich auszudrücken. Und wie
jede Einzelne von uns dies genau tut, bleibt allein ihrem persönlichen Geschmack überlassen.
Was sollte man modisch vermeiden?
Es funktioniert nicht, sich verstecken zu wollen, und es funktioniert auch nicht, ein Teil zu tragen, das zwar trendy ist, in dem ich mich aber aus welchem Grunde auch immer nicht wohlfühle. Statt Dinge zu „vermeiden“, sollte ich mich lieber fragen: Wo liegen meine Vorzüge? Habe ich schöne Beine, die ich gern betonen möchte? Machen mich große Accessoires glücklich, oder kann ich mein Dekolleté schön in Szene setzen? Kurz: Wie lenke ich den Blick – und zwar in erster Linie meinen eigenen, erst dann den der anderen, denn es geht ja um mich und nicht darum, wie andere mich finden!– auf all das, was ich selbst an mir mag und schön finde?
Was ist dein Lieblings-Outfit?
Mein Lieblingsoutfit ist und bleibt das wandlungsfähige Kleine Schwarze. Ich liebe Kleider in allen Variationen, halblange und lange, und trage schon seit Jahren keine Hosen
mehr. Vor allem genügt ein Griff in den Kleiderschrank, um für jeden Anlass gut angezogen zu sein – Schluss mit dem Überlegen, was wozu passt! Viele PlusSize-Mädels trauen sich
allerdings noch nicht so recht an Kleider ran. Das wollen die kingsizequeens und ich ändern. Denn das Kleid ist das Weiblichste aller Kleidungsstücke – und macht einfach Spaß!
Hast du einen Mode-Tipp für alle Frauen?
Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren! Nur so kann ich irgendwann wissen, was wirklich zu
mir passt und was nicht. Ich habe in den vergangenen fünfzehn Jahren so gut wie alles ausprobiert – und bin jetzt endlich genau da, dass ich sagen kann: Ich habe meinen Stil gefunden. Ich
weiß genau, was ich tragen möchte und was nicht. Schont übrigens dann auch den Geldbeutel, wenn es soweit ist – es gibt nicht mehr so viele Fehlkäufe im Schrank!
Kann man sich dem Mode-Diktat widersetzen?
Wichtig ist, den richtigen Blickwinkel zu finden. Es geht nicht darum, dass andere mich schön finden. Es geht darum, dass ich mir selbst gefalle und mich gut fühle. Das alles kann Mode unterstützen. Aber dafür muss ich eben selbst erst einmal wissen, wer ich bin und was zu mir passt.
Du bist selbst schon wegen deiner äußeren Erscheinung angefeindet worden – was glaubst du, warum?
Es ist leider sehr einfach, von sich selbst abzulenken, indem man die äußere Erscheinung anderer bösartig kommentiert oder angreift. Und davon machen Menschen nun mal leider auch Gebrauch. Ich kann aber selbst und bewusst entscheiden, inwiefern ich mich von der Meinung anderer abhängig mache, diese annehme oder zulasse, dass sie mich beeinflusst. Und ich weiß mittlerweile auch: Wer mich aufgrund meiner Äußerlichkeiten kritisiert oder glaubt beurteilen zu können, der hat (noch) nicht verstanden, was wirklich wichtig ist.
Welche Vorurteile ärgern dich?
Runde Frauen scheinen eine der letzten so genannten „Randgruppen“ (allein dieser Begriff!) zu sein, die unsanktioniert angegriffen, über die Witze gerissen oder die verurteilt werden dürfen. Wir haben hier noch viel Arbeit vor uns, um ein Umdenken zu schaffen. Dabei kann aber auch jede Einzelne von uns helfen, z.B. indem sie ihren eigenen Sprachgebrauch überdenkt, bei unbedachten Kommentaren einschreitet oder Medien darauf aufmerksam macht, wenn sie in diese Falle tappen.
Engagierst du dich gegen Vorurteile?
Ja, mit meiner Bewegung ReBelles (www.rebelles.de oder bei facebook) engagiere ich mich schon seit Längerem für eine größere Vielfalt von Körperbildern in Gesellschaft und Medien und für vermehrte Körperakzeptanz. Die Arbeit bereitet mir viel Freude. Und sie wird nicht weniger. Da gibt es noch einiges zu tun!
Was ist für dich Schönheit?
Genau dieser Frage bin ich ja mit meinem Projekt „Wer schön sein will, muss reisen“ (erhältlich als Buch und Film) nachgegangen. Sie war gar nicht so leicht zu beantworten! Klar ist aber: So etwas wie objektive Schönheit gibt es nicht. Was als schön gilt, ist immer abhängig von Zeit und Raum. Und auf diese Faktoren habe ich persönlich nun mal keinen Einfluss.
Für mich ist jemand schön, der offen und tolerant ist; der geistig beweglich ist und auch andere Meinungen gelten lassen kann. Der weiß, dass das eigene kleine Stückchen der Welt nicht der Nabel der Welt ist. Und der auch andere so sein lassen kann, wie sie nun mal sind. Das macht entspannt, dankbar und glücklich. Und somit auch eindeutig schön.
Was bedeutet Glück für dich?
Zufrieden bin ich, wenn ich denke: So soll es sein, so kann es bleiben. Aber meistens kommt dann auch immer gleich eine neue Idee, was ich dann jetzt noch machen könnte. Und zack, bin ich wieder mittendrin im nächsten Projekt. Und glücklich! Von daher glaube ich: Glück bedeutet für mich, zu lernen sowie Neues zu entdecken.
Wie weit beeinflusst dein Körpergefühl dein Wohlbefinden?
Es beeinflusst mich schon. Ich glaube, das kennt jede von uns: Morgens aufzuwachen, in den Spiegel zu schauen und zu denken, oje, das ist heute nicht mein Tag. Aber ich weiß ja, dass mein Aussehen nicht verantwortlich für meine Lebensqualität ist. Die äußere Hülle ist nicht das Entscheidende. Das, was drinsteckt, schon. Das Geheimnis ist vermutlich, dies auch zu leben. Das gelingt auch mir nicht immer. Aber doch meistens.
Wie sieht dein Look aus..
.. fürs Büro?
Zum Glück habe ich keinen Job, der von mir ein Kostüm oder ähnliches verlangt. Von daher habe ich hier keinen festgelegten Look.
.. für private Tage?
Im Sommer liebe ich Maxikleider, kombiniert mit einer Jeans- oder Häkeljacke; im Winter kuschlige Strickjacken mit Leggings und Stiefeln.
.. für den großen Auftritt?
Ganz klar: Ein maßgeschneidertes Abendkleid von den kingsizequeens!
Was ist dein Lieblings-Schmuck?
Ich liebe große Ohrringe. Anderen Schmuck trage ich so gut wie gar nicht – bis auf meinen Ehering natürlich.
Hast du Lieblings-Schuhe?
Eindeutig Stiefel!
Hast du eine Lieblings-Tasche?
Je größer, desto besser. Meine Lieblingstasche ist aus grauem Leder, hat verspielte Rüschen und ist groß genug, um für ein ganzes Wochenende Zeug unterzubringen, wenn es sein muss. Ich liebe sie so sehr, dass ich sie schon mehrfach reparieren lassen musste. Trotzdem trage ich sie fast jeden Tag.
Was hast du für berufliche Pläne?
Derzeit bauen wir mit den kingsizequeens und der parallelwe.lt bar unsere neue Heimat um und aus: Im August ziehen wir um in eine neue Location! Dann wird auch ein kleines Café zur parallelwe.lt bar gehören. Und ein schicker Clubraum im Keller, in dem wir weiterhin Livegigs von Singer/Songwritern hören können. Ich glaube, in meinem nächsten Leben werde ich Bookerin!
Wann bist du das nächste Mal im TV zu sehen?
Derzeit konzentriere ich mich auf die Kino- und Lesereise mit Buch und Film „Wer schön sein will, muss reisen“. Wer den Film im Kino verpasst hat: Das Buch ist überall erhältlich, und die DVD erscheint am 21. Juni. Mit dem Film werde ich sicherlich auch 2015 noch unterwegs sein. Was Fernsehen betrifft, gibt es zwar Ideen, aber derzeit noch keine Möglichkeit, diese zeitlich umzusetzen. Schließlich steht mir gerade ein Umbau und Umzug bevor – siehe oben!
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Carsten (Dienstag, 13 Mai 2014 13:42)
Na, das ist doch mal ein selbstbewusster Auftritt. Gerne mehr davon! Warum liest man solche Interviews eigentlich sonst nirgendwo? Weiter so, liebe Macher vom Kurvenreich-Blog!